Kultur

Zusatzprojekt Quintuplet

An die bewegte Firmengeschichte erinnert in Rüsselsheim ein weiteres Opel-Kunstwerk: das Quintuplet am Verna-Park.

„Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“

Adam Opel

Der englische Begriff „Quintuplet“ bezeichnet ein Fahrrad mit fünf Satteln. Um 1890 wurde ein solches fünfsitziges Fahrrad in der neu eingerichteten Fahrradfabrik von Adam Opel gebaut und wohl zu Werbezwecken eingesetzt. Im Jahr 1895 entstand ein Foto, das die damals im Radsport erfolgreichen Opel-Brüder auf einem Quintuplet sitzend zeigt.

Die Metallplastik stellt eine Nachbildung dieses historischen Fahrradmodells nach den Entwürfen des Rüsselsheimer Künstlers Uwe Wenzel dar, in einer Ausführung in geschwärztem Edelstahl, mit Satteln, Pedalen und Griffen aus Bronze, bräunlich patiniert (Länge: 400cm, Höhe 95cm).

Die Plastik lehnt, im Boden verankert, an einer Laterne aus geschwärztem Edelstahl, die über Bodenleitungen mit Strom versorgt wird und nachts die Skulptur von oben beleuchtet (Höhe der Laterne über dem Boden: 350cm).

Standort des „Quintuplets“ ist der Platz vor dem Südwesteingang des Verna-Parks. Die öffentliche Vorstellung des Kunstwerks erfolgte am 19. Dezember 2023 im Beisein des Künstlers.

Das Kunstwerk wurde durch die Stadt Rüsselsheim am Main im Rahmen des Landesförderprogramms Zukunft Innenstadt und mit freundlicher Unterstützung des Lions Club Rüsselsheim Cosmopolitan finanziert.

Das Quintuplet und die Fahrradkultur in Rüsselsheim

Die 1862 in Rüsselsheim gegründete Nähmaschinenfabrik von Adam Opel wurde ab den 1880er Jahren um eine Fahrradsparte erweitert. Die Inspiration für das neue Produkt kam aus England. Opel startete 1886 zunächst mit Hochrädern; Nieder- bzw. Sicherheitsräder sollten bald die Produktpalette ergänzen. In der Nähmaschinenfabrik standen qualifizierte Metallarbeiter und ausgedehnte Maschinenparks bereit, um diese Hightech-Produkte britischer Ingenieurskunst zu kopieren und in Serie herzustellen.

Gegenüber den deutschen Nachahmern, die ausschließlich Fahrräder und diese noch in kleinen Auflagen herstellten, waren Nähmaschinenfabrikanten wie Opel in Rüsselsheim oder Dürkopp in Bielefeld aufgrund ihrer Erfahrung, der vorhandenen Maschinenparks und der personellen Ressourcen klar im Vorteil. Nicht die Herstellungsmethoden unterschieden sich von denen der Nähmaschine, sondern vor allem der Kundenkreis. Junge Männer der gehobenen Gesellschaft kauften das Fahrrad als mondänes Sportgerät, das Körper- und Maschinenbeherrschung zugleich erforderte. Das Fahrrad war als das schnellste nicht schienengebundene Verkehrsmittel des 19. Jahrhunderts ein begehrtes Kaufobjekt. Im stolzen Preis war bei Opel in Rüsselsheim ein Fahrradkurs inbegriffen, der aus Sicherheitsgründen auf einer 1890 erstellten elliptischen Test- und Übungsstecke hinter der Fabrik stattfand. Den Straßenraum eroberten sich die ersten Radfahrer nur gegen den Widerstand von Kutschern, Reitern und Fußgängern. In Berlin war das Befahren öffentlicher Wege zeitweise gesetzlich verboten. Das großherzogliche Kreisamt in Darmstadt gestattete hingegen 1890 den Radfahrern die Nutzung von Fahrwegen, nicht jedoch die von Bürgersteigen und Fußwegen.

1888 war für die zweite Sparte eine neue Fahrradfabrik mit einem Fackelzug, einem Konzert der Rüsselsheimer Gesangsvereine und anschließendem Ball eröffnet worden. Im gleichen Jahr gründete Opel den Verein Deutscher Fahrrad-Industrieller mit, der sich der Interessenvertretung der großen Fabriken und des Handels verschrieben hatte.

Mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen versuchte man, dem Fahrrad im Verkehrsraum seinen Platz zu schaffen. So setzten sich die Fabrikanten zusammen mit den Sportvereinen erfolgreich für eine Abschaffung der Fahrverbote ein. Von Adam Opel selbst ist der Satz überliefert: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“ Entscheidend für den Verkaufserfolg der Opel-Räder wurden bald die Erfolge der hauseigenen Produkte bei öffentlichen Fahrradrennen. Sie sollten das breite Publikum von der Stabilität, Beherrschbarkeit und Leistungsfähigkeit des neuen Verkehrsmittels überzeugen. Alle fünf Opelbrüder fuhren prestigeträchtige Siege für die Rüsselsheimer Marke ein und wurden so schon in jungen Jahren Werbebotschafter für die elterliche Produktion.

Ein Werbemotiv für die Rüsselsheimer Fahrradproduktion war u.a. eine Abbildung der fünf Fabrikantensöhne auf dem Quintuplet, einem Fahrrad mit fünf Sitzen. Das Motiv ist in Form von Zeitungsanzeigen und Studio- Aufnahmen überliefert und älteren Rüsselsheimer*innen sowie Oldtimer-Fahrrad-Enthusiasten noch bekannt. Sie verbinden das Quintuplet mit der Unternehmerfamilie und den Opel-Brüdern.

Fahrräder mit mehr als zwei Sitzen und Tretlagern wurden von verschiedenen Herstellern zu Werbezwecken oder als Tempomacher für Rennveranstaltungen produziert. Für Opel ist auch ein Foto eines Fahrrades mit drei Sitzen und sechs Pedalen überliefert, auf dem drei der fünf Opel-Söhne als hessische Meisterfahrer abgebildet sind. Im Straßenraum waren Quintuplets wohl eher nicht zu sehen. Ein Nachbau des Opel-Quintuplets von 1894 ist im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm ausgestellt.

Opel stieg mit seinen modernen Produktionsstätten und einer breiten Palette von Niederrädern bald zu einem der größten Fahrradproduzenten in Deutschland und nach Einführung der Fließbandproduktion 1923 zum weltweit größten Hersteller auf. Zum Zeitpunkt des Verkaufs des Opel-Werkes an den amerikanischen General-Motors Konzern (1929/30) lebten noch zwei der Opel-Brüder: Wilhelm und Fritz. Beide traten 1933 in die NSDAP ein. Die Fahrradproduktion bei Opel in Rüsselsheim wurde 1936 eingestellt.

Die Metallplastik „Quintuplet“ soll an das bedeutsame Kapitel der Kultur- und Mobilitätsgeschichte erinnern, das vom Fahrradsport geprägt war und das eng mit der Unternehmensgeschichte von Opel und dem Standort Rüsselsheim am Main verbunden ist.