Am 24. August 1944 wurde ein B-24-Bomber der US Air Force bei Osnabrück abgeschossen. Die Crew konnte sich mit Fallschirmen retten, geriet aber in Gefangenschaft. Ein Crewmitglied, Forest Brininstool, wurde verwundet in ein Lazarett verlegt. Die übrigen acht Flieger – Norman J. Rogers, John N. Sekul, Thomas D. Williams, William A. Dumont, Elmore L. Austin, William M. Adams, Sidney E. Brown und Haigus Tufenkjian – wurden zum Durchgangslager der Luftwaffe in Oberursel gebracht.
In der Nacht vom 25. auf den 26. August bombardierte die Royal Air Force das Opel-Werk in Rüsselsheim und zerstörte weite Teile der Innenstadt. Am Morgen des 26. August befand sich der Gefangenentransport mit der Crew um Pilot Norman J. Rogers gerade auf dem Weg von Mainz nach Frankfurt, als der Zug bei Rüsselsheim zum Stehen kam. Die Gleisanlagen waren zerstört, der Bahnverkehr unterbrochen. Die amerikanischen Flieger mussten ihren Weg zu Fuß durch die Stadt fortsetzen, die von den nächtlichen Bombenangriffen gezeichnet waren.
Nach und nach sammelte sich eine aufgebrachte Menge um die Kriegsgefangen. Fälschlicherweise wurden sie für die „Terrorflieger“ gehalten, die für die Zerstörung Rüsselsheims verantwortlich waren. Auf Beschimpfungen folgten bald erste tätliche Übergriffe. Ein Mob jagte die Gefangenen durch die Straßen und misshandelte sie, bis sie schwer verwundet an einer Mauer entlang der Grabenstraße zusammenbrachen. Die deutschen Soldaten, die sie begleiteten, griffen nicht ein.
Während des Zweiten Weltkriegs kam es in ganz Deutschland zu solchen „Fliegermorden“, bei denen deutsche Zivilisten gefangene alliierte Soldaten, insbesondere Fliegercrews, brutal lynchten. Diese Gewalttaten wurden von der NS-Propaganda nicht nur geduldet, sondern gezielt gefördert, um den sogenannten „Volkszorn“ gegen die vermeintlichen Feinde zu schüren und die Bevölkerung zur aktiven Mitwirkung an der Kriegsanstrengung zu motivieren.
In Rüsselsheim wurden vier der Kriegsgefangenen von dem NSDAP-Ortsgruppenleiter Josef Hartgen erschossen, zwei weitere starben an ihren Verletzungen. Zwei Flieger, Sidney E. Brown und William M. Adams, überlebten, in dem sie sich totstellten. Als ein weiterer Fliegeralarm ertönte, konnten Brown und Adams fliehen. Sie gerieten bald darauf erneut in Kriegsgefangenschaft. Nach Kriegsende kehrten sie in ihre Heimat zurück.