Khaleda Alatri ist 55 Jahre alt und Maschinenbauingenieurin. Aufgrund des Bürgerkrieges in ihrem Heimatland Syrien ist sie mit ihren drei Kindern nach Deutschland geflohen. Im Januar 2019 kam die Familie in Rüsselsheim an. Heute arbeitet Frau Alatri in einer Druckerei in Königstädten, ihre Kinder besuchen die Gerhart-Hauptmann-Schule und die Gustav-Heinemann-Schule. Wir haben mit Frau Alatri über ihre Erfahrungen, ihren Alltag und ihre Wünsche für die Zukunft gesprochen.
Frau Alatri, bitte stellen Sie sich doch kurz vor. Wer sind Sie und woher kommen Sie?
Mein Name ist Khaleda Alatri. Ich bin 55 Jahre alt und komme aus Syrien. An der Universität in Aleppo habe ich fünf Jahre lang Maschinenbau mit den Fachrichtungen Design und Produktion studiert und 1991 meinen Abschluss gemacht. Nach dem Studium habe ich in einer Zementfirma im Design für Maschinen gearbeitet. Zwei Jahre war ich mit meinem Mann zusammen in Saudi-Arabien, um zu arbeiten. 2011 sind wir dann wieder zurück in unser Heimatland Syrien gezogen. Wir haben drei Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen.
Wann sind Sie nach Rüsselsheim gekommen und warum mussten Sie fliehen?
In meiner Heimat Syrien war der Krieg sehr schlimm. Daher bin ich 2019 mit meinen drei Kindern nach Deutschland geflohen. Ich wollte meinen Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen.
Wie kamen Sie nach Rüsselsheim?
Es war eine lange Fahrt. Von Syrien sind wir in den Libanon geflüchtet und von dort ging es nach Italien. Dort waren wir drei Tage bevor wir nach Deutschland gefahren sind. Von Frankfurt aus kamen wir zunächst in eine Einrichtung in Gießen, wo wir zwei Wochen verbracht haben. Von dort wurden wir in andere Städte verteilt und so kamen wir nach Rüsselsheim. Wir haben zunächst fünf Jahre lang in der Flüchtlingsunterkunft in Königstädten gelebt. Vor drei Monaten sind wir in eine eigene Wohnung im Stadtteil Dicker Busch gezogen. Mein Mann kam vor zwei Jahren nach Deutschland nach. Er war erst in der Türkei und nun sind wir wieder alle als Familie zusammen.
Wie war die Anfangszeit hier in Rüsselsheim für Sie?
Am Anfang war natürlich alles neu für uns und etwas schwer. Wir mussten uns an ein neues Land gewöhnen. Aber wir möchten gut lernen und uns hier eine gute Zukunft aufbauen, das ist mein Traum.
Wer hat Ihnen dabei geholfen, sich hier zurecht zu finden und anzukommen?
Unsere Betreuerin vom Fachbereich Asyl der Stadt hat uns wirklich sehr geholfen. Wir konnten zunächst nicht so gut Deutsch. Sie hat uns dabei unterstützt, wichtige Dokumente und Papiere für die Krankenkasse oder das Jobcenter auszufüllen. Auch bei der Anerkennung von offiziellen Dokumenten hat sie uns sehr unterstützt, so konnte mein Studium aus Syrien hier anerkannt werden. Mein Abschluss entspricht einem deutschen Hochschulabschluss auf Bachelor-Ebene.
Auch in der Flüchtlingsunterkunft und in Königstädten haben uns sehr viele Menschen geholfen – deutsche und ausländische Personen. Jeden Freitag haben wir uns zum Beispiel mit drei Frauen in der Unterkunft getroffen, um uns auszutauschen, um die Sprache zu lernen. Wir haben Tipps bekommen, wie wir hier selbstständig leben und auf eigenen Beinen stehen können. Für Frauen in meiner Heimat ist es sehr schwer, selbstständig zu sein, vor allem, wenn man mit Kindern alleine ist. Da haben uns die deutschen Frauen sehr geholfen. Nach zwei Monaten durften wir mit einem Sprachkurs anfangen. Innerhalb von neun Monaten habe ich die Kurse für A1, A2 und B1 absolviert.
Eine Frau und ihr Mann haben meine Kinder und mich beispielsweise auch mit den Informationen der neuen Schulen unterstützt. Diese Familie besuchen wir heute noch häufig. Wir sind gute Freunde geworden und ich bin sehr dankbar für all die Unterstützung und Hilfe, die wir hier in Rüsselsheim von unterschiedlichen Menschen erhalten haben.
Wie geht es Ihnen heute?
Heute geht es mir schon sehr viel besser. Aber es gibt natürlich immer noch viel zu lernen. Ich muss viel sprechen, um besser zu werden und mich zu entwickeln. Dann komme ich auch immer besser in Deutschland zurecht.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Heute arbeite ich in einer Druckerei in Königstädten als Produktionshelferin. Die Stelle hatte mir das Jobcenter vorgeschlagen und ich fand es gut, dass die Arbeitsstelle nahe an meiner ehemaligen Wohnung war. Die Arbeit gefällt mir wirklich sehr, weil man immer etwas zu tun hat. In der Zukunft möchte ich versuchen, auch wieder in meinem Beruf als Maschinenbauingenieurin zu arbeiten. Vielleicht, wenn meine Kinder nach der Schule ein Studium oder so anfangen.
Meine Kinder gehen alle in Rüsselsheim zur Schule. Mein Sohn Ibrahim besucht die Gerhart-Hauptmann-Schule in Königstädten und hat im Schuljahr 2021/2022 den ersten Platz in der ersten Ausscheidungsrunde des hessischen Mathe-Wettbewerbs erreicht. Darauf bin ich sehr stolz! Er ist mittlerweile 16 Jahre alt und macht nun seinen Realschulabschluss an der GHS. Danach hoffe ich, dass er weiter Abitur macht. Er möchte gerne Pilot werden.
In meiner Freizeit laufe ich gerne. Ich habe mich jetzt auch in einem Fitnessstudio angemeldet. Am Wochenende verbringe ich die Zeit mit meiner Familie. Wir machen Ausflüge nach Frankfurt oder nach Wiesbaden und versuchen einfach eine schöne Zeit zusammen zu haben.
Was mögen Sie besonders an der Stadt Rüsselsheim?
Rüsselsheim ist eine sehr schöne kleine Stadt. Vor allem gefällt mir, dass so viele deutsche und ausländische Menschen gut und friedlich zusammenleben. Meine Kinder fühlen sich sehr wohl hier und lieben Deutschland. Sie haben viele Freunde mittlerweile und sprechen sehr gut Deutsch.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Ich wünsche mir, irgendwann wieder in meinem Beruf als Maschinenbauingenieurin arbeiten zu können. Und ich wünsche mir, dass meine Kinder alle ihre Ziele erreichen. Meine eine Tochter möchte Informatik studieren, mein Sohn will Pilot werden. Für meine älteste Tochter, die Diabetikerin ist, wünsche ich mir, dass sie eine gute medizinische Behandlung bekommt, gesund bleibt und auch ihre Träume verwirklichen kann.
Ich danke der Bundesregierung, der Stadt Rüsselsheim und allen Menschen, die uns hier aufgenommen haben und uns die Möglichkeit geben, ein besseres Leben aufzubauen. Das ist nicht selbstverständlich und wir wissen das sehr zu schätzen.